Ein bisschen Unsterblichkeit
Henrietta Lacks ist seit mehr als 50 Jahren tot, aber ihre Zellen leben weiter. Weltweit erforschen an ihnen Wissenschaftler die Entstehung von Krebs
Von Lorenz, Friederike
Quelle: DIE ZEIT, 20.12.2006 Nr. 52
Rote Flüssigkeit blubbert in einem Glasbehälter. Er misst kaum 30 Zentimeter im Durchmesser und steht in einem fast mannshohen Apparat mit unzähligen Hebeln und Röhren, die Nährmedium in das Glas leiten. Hier werden sie gezüchtet, gepflegt und überwacht, die Zellen der Henrietta Lacks. Besucher mag es befremden, vor den Zellen einer Toten zu stehen, doch für die Biologen ist das längst nichts Ungewöhnliches mehr. Ähnliche Apparate mit »HeLa-Zellen« stehen schließlich heute in unzähligen Labors weltweit. Hela-Zellen sind nach ihrem Opfer Henrietta Lacks benannt. Sie pflanzten sich in anderen Zellkulturen fort.
Die jungen Studenten, die hier an einem Max-Planck-Institut in Göttingen mit den nach Henrietta Lacks benannten Zellen experimentieren, sitzen an Doktorarbeiten zur Genforschung. Für die Herkunft dieser Zellen interessieren sie sich wenig – so wie ein Automechaniker auch nicht über den Erfinder des Schraubenschlüssels nachdenkt. Sie wissen, dass es menschliche Krebszellen sind, von »einer Amerikanerin, die in den fünfziger Jahren ihren Körper der Wissenschaft gespendet hat«.
Dass sich in der roten Flüssigkeit aber nicht nur die Geschichte der modernen Zellbiologie und der Schlüssel zur Polio-Impfung verbergen, sondern auch eine dramatische menschliche Geschichte, die vom Kampf um Anerkennung und der allmählichen Entwicklung ethischer Standards in der Medizinforschung erzählt, ist den wenigsten Jungforschern bewusst.
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